Rund 200 Holderbergschüler wurden zu Zeugen eines Anschlags - Kölner Künstler-Theater machte mit „Unter Menschen 2“ auf Ausländerfeindlichkeit aufmerksam

|   Schuljahr 10/11

Mit dem Antrag auf Asylbegehren in der Hand betreten am Mittwochvormittag rund 200 Schüler aus den Klassen 8 bis10 der Holderbergschule das Bürgerhaus. Während die Nummer 102 aufgerufen wird und der Antragsteller Mustafa Aldakark sich aus der Mitte der Jugendlichen erhebt, um mit einer Beamtin seine Papiere auszufüllen, erschreckt das Geräusch einer Detonation die Zuschauer. Sie sind soeben Zeugen eines Anschlags auf die „Anlaufstelle für Asylsuchende“ in einer deutschen Großstadt geworden. Mitten hinein ins Geschehen holten die Akteure des „Kölner Künstler-Theaters“ die Jugendlichen und machten sie so nicht nur zu Zuschauern des Theaterstücks, sondern auch zu Statisten. Das Stück „Unter Menschen 2“ von Georg zum Kley entlarvt die Täter rechtsextremer Gewalt ebenso, wie es auf die Drahtzieher und Verbreiter fremdenfeindlicher Parolen aufmerksam macht. Eingeladen wurde das Tourtheater vom Jugendbildungswerk des Lahn-Dill-Kreises in Kooperation mit der Jugendpflege der Gemeinde Eschenburg und der Holderbergschule.
Der Weg von Andreas Glowasky, dargestellt von einem sehr überzeugend agierenden Alexis Schvartzman, ist wohl kein Einzelfall: Jung, dynamisch und erfolgreich wird der Protagonist dargestellt. Als er dann auch noch befördert wird, ist er stolz auf seine Leistung und den 500 Euro Marken-Anzug. In einem arabischen Land macht er mit seiner Schwester (als Beamtin, Richterin, Kneipenwirtin und Schwester präsentierte sich Vera Passý sehr wandlungsfähig) Urlaub und unterhält sich mit dem Kellner, über dessen Deutschkenntnisse er staunt. „Wenn du Deutsch kannst, bekommst du einen guten Job“, erklärt ihm Kellner Mustafa. Er lebt vom Trinkgeld der Touristen des Clubs und lebt in einem Land, das von Faschisten regiert wird. Zu diesem Zeitpunkt der Rückblende wissen die Zuschauer bereits, dass eben dieser freundliche junge Mann, der sich mit Mustafa unterhält, später derjenige sein wird, der den Molotowcocktail auf eben jene Asylstelle werfen wird, in der Mustafa gerade seinen Asylantrag stellt.
Eingerahmt von der Gerichtsverhandlung zeichnen die Rückblenden den Weg von Andreas und Mustafa nach. Sehr geschickt arbeitet das Stück mit Parallelszenen, in denen die Lebenswelten von Andreas und Mustafa gegenübergestellt werden. Dabei spielt Aydin Işik sehr emotional und erklärt auch die Gründe Mustafas: Sein Vater sitzt im Gefängnis und als er die Willkür der Verhaftung anprangert, ist er selbst in Gefahr, eingesperrt zu werden. Da erinnert er sich an den netten deutschen Touristen Andreas. Die braune Gesinnung von Andreas kommt während des Verhörs mit der Richterin ans Licht. Die direkte Sprache ließ die Schüler so manches Mal erstaunt und auch peinlich berührt den Atem anhalten. Der Richterin kann er nicht erklären, wann er von einem Ausländer bei der Wohnungssuche oder beruflich Nachteile hatte. Doch als die Schüler das Gespräch in seiner Stammkneipe Frida mit der Kneipenwirtin „belauschen“, wird ihnen schnell klar, woher seine ausländerfeindliche Einstellung kommt.
Das Theaterstück hatte seine beklemmenden Seiten insbesondere an den Stellen, an denen dem Zuschauer bewusst wurde, dass der Protagonist Vorurteile aussprach, die jeder schon mal gehört hat. „Die Ausländer nehmen uns unsere Arbeit und die Wohnungen weg, sie sind alle faul und lungern auf unsere Kosten auf den Straßen herum“, hört man Andreas Glowasky schimpfen. Auch die Verbrechen des Nazi-Regimes in der Hitler-Diktatur werden von ihm verharmlost. Eine Schlägerei mit Ausländern ist der Anlass, weswegen sich der Antiheld mit zwei Freunden betrinkt und dann zur Tat schreitet: Der Täter ohne jede erkennbare Reue entschuldigt seine Tat vor der Richterin damit, dass er „eine schwachsinnige Idee aus einer Bierlaune heraus“ hatte, als er den Molotowcocktail warf. Im anschließenden Gespräch mit den Akteuren betonten die Darsteller ihr Anliegen: „Wir möchten , dass ihr erst nachdenkt , genau hinschaut und hinhört, wenn ihr solche Parolen hört“, erklärte Vera Passý. Der Angehörige rechtsextremer Gruppen sei heute nicht mehr als Skin an Springerstiefeln und Glatze erkennbar, sondern laufe heute im Anzug und trendigen Klamotten herum. Bei Feten mit freiem Essen und Trinken werden junge Leute geködert, die dann im Vollrausch die ausländerfeindlichen Parolen mitgrölen. „Unter Menschen 2“ will genau auf diese Verharmlosung aufmerksam machen und die Sinne von Jugendlichen schärfen, so die Schauspieler abschließend.

Der Antiheld Andreas Glowasky (Alexis Schvartzman) wirkt anfangs eher normal, ein Heranwachsender, der zielstrebig seine berufliche Karriere verfolgt. Mustafa ( Aydin) ist zunächst Kellner und verlässt dann sein Land, als ihm das Schicksal seines Vaters droht. Sehr wandlungsfähig war Vera Passý, die in verschiedene Rollen schlüpfte.