Wenn Kinder zu Forschern werden

|   Schuljahr 10/11

Forschungsprojekt an der Holderbergschule mit dem "Nano Kids Cube"

„Wir brauchen noch ein Männchen und wir wollen das da, das gerade wegschwimmt“. Behutsam fischt Biologielehrer Nils Krautwald den kleinen Zwergflusskrebs aus dem Wassereimer und gibt ihn Pascal in die Hand. „Jetzt ganz schnell ins Wasser damit und auf keinen Fall fallen lassen“, gibt der Pädagoge die Anweisung.
Das Einrichten von fünf „Nano Kids Cubes“ stand in dieser Woche im Biologieunterricht der Klasse 5R2 auf dem Unterrichtsplan. Hinter dem spannenden Namen des „Nano Kids Cube“ verbirgt sich ein 20 Liter umfassender, würfelförmiger Glasbehälter, den die Firma Dennerle herstellt. „Schulaquarien hatten lange Zeit mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie zu konservativ seien“, erklären Werner Schmidt und Thomas Feierabend, Prokuristen der Firma, die beim ersten Einrichten und Aufstellen der Cubes in einem Klassenzimmer nun dabei waren. In Zusammenarbeit mit dem Biologie-Didakten, Professor Dr. Peter Ziemek von der Gießener Justus-Liebig-Universität und der Firma Dennerle entstand das „tragbare Schulaquarium“, wie Feierabend den Glasbehälter auch bezeichnet. Fünf solcher Becken inklusive Pflanzen und Tieren im Wert von über 1000 Euro steuerte die Firma aus dem pfälzischen Villingen zu dem Projekt bei. Zu dem Set, das es im Handel auch frei verkäuflich gibt, gehören auch die Urzeitkrebse, so genannte Salinenkrebse. Die Tiere, Futter und ein von Dr. Ziemek entwickeltes Forscher-Logbuch fördern den Forscherdrang der Kinder.
Ob der „Nano Kids Cube“ tatsächlich dazu beitragen kann, das Interesse der Schüler zu wecken - und da vor allem das der Mädchen - soll ein Forschungsprojekt nun zeigen: Die 24 Fünftklässler nehmen an besagter Langzeitstudie teil, welche die Holderbergschule in Kooperation mit dem Institut für Biologiedidaktik der Justus Liebig Universität Gießen und unterstützt von der Firma Dennerle gestartet hat. Der Kontakt zwischen Universität und Holderbergschule kam durch den Klassenlehrer der 5R2, Nils Krautwald, zustande, der gleichzeitig auch pädagogischer Mitarbeiter im Institut für Biologiedidaktik ist.
Die Studie soll Aufschluss geben, ob das Wissen der Schüler über Aquaristik, Ökologie, Pflanzen und Photosynthese speziell durch den Einsatz der Cubes steigt - oder eben nicht.
„Wir wollen herausfinden, ob und wie sich die Kompetenzen der Schüler verändern“, umreißt der geschäftsführende Direktor des Instituts, Professor Dr. Ziemek, die wissenschaftliche Fragestellung. Aus seiner Sicht wäre es toll, wenn Schüler, die sich anfangs kaum trauen, einen Flusskrebs in der Hand zu halten oder die Wasserqualität zu überprüfen, dies nach einiger Zeit selbstständig tun würden. „Damit hätten die Schüler dann in den Gruppenarbeiten auch soziale Kompetenzen erlernt“, so Dr. Ziemek, der auf das Ergebnis sehr gespannt ist.
Doch nicht nur auf Schülerseite, auch bei den Biologielehrern gebe es Hemmschwellen, die in der Vergangenheit den Einsatz des Mediums Aquarium verhinderten: „Wer versorgt das Aquarium während der Sommerferien? Wer fährt regelmäßig an die Schule und füttert die Tiere und kontrolliert die Wasserqualität?“ Alleine wegen dieser organisatorischen Dinge blieben viele Klassenzimmer in den letzten Jahren ohne Aquarium. Dabei könne man ein solches Becken mit Pflanzen und Tieren gut im Unterricht einsetzen, meinte der Professor.
Ein Becken einzurichten und zu pflegen sei ein sehr gutes Medium im Unterricht, um die vom Kultusministerrum geforderten Bildungsstandards und Kompetenzen wie „Beobachten“ schülergerecht zu erreichen. Außerdem erhoffen sich die Pädagogen, dass Schüler motivierter mitarbeiten, wenn man ihren Forscherdrang weckt. Bei den Holderbergschülern scheint dies zu klappen: Während die Kinder den mitgelieferten Kies zunächst waschen und dann in den Glasbehälter füllen, erklärt Professor Dr. Ziemek seine Überlegungen: Viele Kinder machten mit Aquarien schon früh Bekanntschaft, da es in vielen Familie Liebhaber der bunten Wasserwelt hinter Glas gebe. Doch wenn die Schüler älter werden, zeige sich eine für das Marktsegment der Aquaristik interessante Entwicklung. Als Erwachsene zeigen Frauen kaum Interesse für dieses Hobby. „Auch bei den Studierenden ist dies zu beobachten“, erklärte Dr. Ziemek. Die Studenten, die beim Professor Unterricht haben, müssen alle im Laufe ihrer Ausbildung zum Lehrer ein Aquarium einrichten und eine Zeit lang pflegen.
Dies tun nun auch die Schülergruppen aus der 5R2. Da die Becken für die Haltung von Fischen zu klein sind, werden sie von Zwergflusskrebsen bevölkert. Die Haltung und das Beobachten der Tiere erfordere den unmittelbaren Kontakt zu den Zwergflusskrebsen, so Nils Krautwald. „ Die tägliche Pflege, das Füttern und Überprüfen der Wasserqualität sind Aufgaben, die eine emotionale Zuneigung zum Tier fördern“, sieht er den Vorteil der Mini-Aquarien.
Gedacht ist auch an das Angebot einer Fortbildung für andere Lehrer umliegender Schulen, die dann den weiten Weg nach Gießen nicht antreten müssten, sondern sich in Eibelshausen über die Einsatzmöglichkeiten der Nano Kids Cubes informieren können.

Forschungsprojekt der Klasse 5R2
Da werden Schüler zu Forschern: Mit einem Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Institut für Biologiedidaktik der Justus Liebig Universität Gießen und der Holderbergschule soll überprüft werden, ob die „Nano Kids Cubes“ die Motivation steigern und das Lernen sozialer Kompetenzen erhöhen können.