Europa-Politik(er) einmal hautnah erlebt

|   Schuljahr 14/15

„So habe ich mir einen Politiker gar nicht vorgestellt!“, „Der ist ja ganz nett!“, so kommentierten die Schüler der beiden neunten Gymnasialklassen der Holderbergschule das Treffen mit dem Europa-Parlamentsabgeordneten Herrn Thomas Mann am vergangenen Montag an der Holderbergschule. Neunzig Minuten stellte sich der CDU-Politiker, bodenständiger Hesse und überzeugter Europäer, den vorab gezielt formulierten Fragen der 45 interessierten Schüler. 

Sie interessierte zunächst die Problematik der Gesetzgebungsprozesse im alltäglichen Politikgeschäft in einem Parlament mit 751 Abgeordneten und 23 Amtssprachen. Diese Frage wurde genauso differenziert und verständlich beantwortet wie Fragen zum Schutz von Minderheiten in der EU (hier besonders der Sinti und Roma in Rumänien und Tschechien), Fragen zur Ukraine-Krise, der Flüchtlingsproblematik und viele mehr.

Während des Gesprächs wurde den Schülern erklärt, dass das EU-Parlament kein „Plauderparlament“ sei, sondern über „Entscheidungskompetenzen“ verfüge. Die intensive Befragung der einzelnen Kommissionsmitglieder,  mit anschließender Entscheidung über deren Eignung sowie die kürzlich eingeführte parlamentarische Kontrolle der Europäischen Zentralbank dienten als Beispiele. Überdies könne man die Parlamentsarbeit jederzeit im Internet mitverfolgen – alle Ausschusssitzungen seien öffentlich.

Als Mitglied des CDU-Präsidiums in Hessen, Vorsitzender des Landesverbandes Hessen der Europa Union und Vizepräsident der Europa-Union Deutschland sucht der Europa-Politiker – wohnhaft in Schwalbach am Taunus - regelmäßig das Gespräch mit Landespolitikern in Wiesbaden und Bundespolitikern in Berlin, um vorab geplante EU-Regelungen sowie Gesetzesvorlagen zu besprechen und zu erläutern. Ziel der Gespräche sei, dass der EU-Perspektive auch auf der Landes- und Bundesebene Geltung verschafft werde.

Bei vielen Themen bezog Herr Mann klar Stellung, ohne „um den heißen Brei zu reden“: So habe er beispielsweise gegen die Mitgliedschaft von Rumänien, Bulgarien und Tschechien gestimmt, weil diese Staaten zu dem damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine EU-Mitgliedschaft seines Erachtens nach einfach noch nicht erfüllt hatten – ein Manko, das leider - so Mann - bis heute nicht ganz behoben worden sei. Er beurteilte die „Regulierungswut“ der Kommission durchaus kritisch und vertrat vehement die Ansicht, dass die Kommission sich auf wesentliche Dinge, wie beispielsweise die Schaffung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik,  konzentrieren solle, statt sich mit Kleinigkeiten - wie der „Bembel-Frage“  - zu befassen. Diese Notwendigkeit zeige sich deutlich in der momentanen Ukraine-Krise, in der „Putin-Versteher“ in der EU auf „Putin-Kritiker“ träfen, obwohl eine gemeinsame EU-Linie gerade hier erforderlich sei. In diesem Zusammenhang bezeichnete Mann die Live-Schaltung des EU-Parlaments zum ukrainischen Parlament im Oktober als „Höhepunkt“, da hierdurch den ukrainischen Parlamentariern vermittelt worden sei: „Wir lassen Euch nicht alleine.“ Das EU-Parlament dürfe den Dialog nicht abbrechen lassen und müsse gleichzeitig allen am Ukraine-Konflikt Beteiligten ermöglichen, das Gesicht zu wahren.

Sorge bereite dem Europa-Parlamentarier die momentane „Re-Nationalisierung“ in vielen EU-Staaten, eine Entwicklung, die Deutschland als Exportland schade, ganz zu schweigen von den fremdenfeindlichen Einstellungen, die sich in einigen EU-Ländern manifestierten, auch belegbar durch den Erfolg rechtsextremer Parteien in den letzten EU-Wahlen. In persönlichen Begegnungen – wie durch die zahlreichen Partnerschaftsprogramme – könnten Vorurteile am effektivsten abgebaut werden. Herr Mann plädierte deshalb für eine Vertiefung der Beziehungen zwischen den jetzigen EU-Mitgliedern und gegen eine neue  Erweiterungsrunde in den nächsten fünf Jahren. 

Thomas Mann mit den Klassen 9G1 und 9G2 und ihren Klassenlehrerinnen Frau Meyer und Frau Kluth